Klare Worte statt Torte: 10 Jahre Dschungel Wien

Sein 10-jähriges Bestehen feiert der Dschungel Wien in der kommenden Saison. Bei der Pressekonferenz am 28. August wurde neben dem 4-tägigen Geburtstagsprojekt „GroßStadtDschungel“ weitere Projekte und Neuerungen der künftigen Spielzeit präsentiert. Gemeinsam mit Kulturstadtrat Dr. Mailath-Pokorny wurde auch ein Jahrzehnt Theaterhaus für junges Publikum Revue passiert. Der jüngste Skandal um nicht ausbezahlte Preisgelder, der die junge Theaterszene in den letzten Wochen auch medial nachhaltig aufgerüttelt hat, fand in der heutigen Pressekonferenz nur kurz Erwähnung. Der Konflikt sei beigelegt, so Stephan Rabl, der langjährige Leiter des Theaterhauses dazu knapp, und geht zur Tagesordnung über.

(c) PID leiter des Dschungel Wien Stephan Rabl und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny zum 10-jährigen Bestehen des Theaterhauses
(c) PID
leiter des Dschungel Wien Stephan Rabl und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny zum 10-jährigen Bestehen des Theaterhauses

Theater, Tanz und Performance für ein junges Publikum sind in den letzten Jahren fixer Bestandteil der österreichischen Kulturszene geworden. Das Theaterhaus Dschungel Wien hat zu dieser Entwicklung nicht nur einen wesentlichen und wertvollen Beitrag geleistet, Stephan Rabl kann hier durchaus als Weichensteller bezeichnet werden.

Der Jungwild Nachwuchs Förderpreis ist nur eine von vielen wertvollen Initiativen, an denen Rabl maßgeblich beteiligt war. Gemeinsam mit Szene Bunte Wähne (auch hier Rabl Mitgründer), dem Internationalen Theaterfestival Schäxpir und der ARGE spleen Graz und das Tao Graz wurde der Theaterpreis gegründet, um jungen TheatermacherInnen die Erarbeitung eines Stücks, das als 15minütige Skizze eingereicht werden muss, ausgeschrieben. Der Jungwild-Preis ist mit 15 000 Euro dotiert, dieser “ beinhaltet auch die Aufführung des Stücks bei den Festivals“, so die Ausschreibung.

Dass im Staate Österreich im Bereich Theater für ein junges Publikum nicht alles so rund läuft, wie es nach außen verkauft wird ist einem aufmerksamen Publikum hinlänglich bekannt. Über die Anekdoten, die man sich bei einem Gutenacht-Bier mitunter erzählt, lacht man gern. Über KünstlerInnen, die beim Premierenbuffett nicht mitessen dürfen, weil sie sich weigern die Transportkosten für ein Klavier einer hausinternen Produktion quer durchs Land aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Oder, – kennen Sie den? Ein Theaterdirektor ruft einen Preis ins Leben, den er sich dann auf der Bühne selber überreicht.

Was aber im Frühsommer durch die Presse-Aussendung des Kunstkollektivs Jawui an die Öffentlichkeit gelangt ist, ließ einem das Lachen im Halse stecken bleiben. Nicht zuletzt dank der großartigen Unterstützung der IG Theater und dem großen Medienecho gelang es „den Konflikt beizulegen“ und eine einvernehmliche Lösung zu finden, die fair und richtig erscheint.

Aber, – was ist genau passiert?

Bereits im Juni 2013 hatte Jawui (Thomas Weilharter und Bernadette Laimbauer) für das Stück „Also, ähm…Hm“ den Jungwild Förderpreis gewonnen, – vom Preisgeld haben die beiden Kunstschaffenden  jedoch bisher nichts gesehen. Stattdessen wurde ihnen Monate (!) nach der Preisverleihung ein Vertrag vorgelegt, der Klauseln beinhaltet, von denen in der Ausschreibung keine Rede war, – und der nicht nur offensichtlich ausbeuterische Ziele verfolgt, sondern über dessen Inhalt nach Unterschrift auch geschwiegen werden muss. Die Künstler weigerten sich, den Vertrag in dieser Form zu unterzeichnen,- die Auszahlung des Preisgeldes wurde aber, sozusagen im Nachhinein an die  Unterzeichnung  des Vertrags gekoppelt.
Bis am 5.November(!) 2013 hat man das Kunstkollektiv Jawui hingehalten, erst dann wurde der Vertrag überhaupt vorgelegt. Die Arbeiten zur Umsetzung des Stücks waren da bereits im Gange, – das Stück hätte sich sonst bis zur geplanten Uraufführung beim spleen Graz im Februar gar nicht realisieren lassen. Erst am 19. November kam es zu einem Treffen mit Yvonne Birghan van Kruyssen.

(c) Jawui Künstlerkollektiv
(c) Jawui Künstlerkollektiv

Von den Verpflichtungen, die im Vertrag festgehalten werden, war nicht nur in der Ausschreibung keine Rede, sie sind auch existenzbedrohend: „Ich kann nicht auf ein dreimonatiges Engagement verzichten, nur weil ich mich bis 2015 verpflichtet habe gratis auf den Festivals zu spielen.“ , bringt es Isabella Jeschke, Schauspielerin, die zwar nicht Teil des Kollektivs Jawui ist, aber beim eingereichten Stück mitspielt, auf den Punkt.

Der Jurist Oliver Ertl, der in einem Ö1 Beitrag von Stefanie Panzenböck dazu befragt wurde sagte dazu ebenda: „Das kunstkollektiv JAWUI hat Recht auf sein Preisgeld und Recht auf eine angemessene Bezahlung der Aufführungen. (…) Der Vertragspartner wurde als Gewinner ermittelt, das Preisgeld dient zur Ausarbeitung der Produktion.“  Mit dem Vertrag habe das nur mehr wenig zu tun, denn da werden die Kunstschaffenden zu einer Aufführungsserie verpflichtet. „Im Zuge dieser Aufführungsserie sollten die Künstler dann in jedem der Häuser also zumindest vier mal unentgeltlich einen Auftritt absolvieren, dann beim nächsten Auftritt 125 € pro Person für den absolut notwendigen Mindeststab erhalten und dann in weiterer Folge auf Einnahmenteilung 70:30 spielen. Diese Konditionen sind in der Ausschreibung nicht definiert worden.“ Denn da sei zwar von einer Aufführungsserie die Rede, aber nicht dass die Künstler dafür auch gratis auf der Bühne stehen müssten. Das würde bedeuten, wenn nicht ausdrücklich Unentgeltlichkeit vereinbart wurde, eben ein angemessenes Entgelt zu zahlen ist.

Die Gruppe versuchte Änderungen im Vertrag zu erreichen, erfolglos. Die Auftritte bei den Festivals wurden auf Eis gelegt, (auf dem Blog von spleen graz war lediglich zu lesen „die Aufführungen von Jawui wurden abgesagt“),  das Preisgeld wurde nie ausbezahlt. Erst am 18. Februar kam es zu einem Treffen mit Birghan (SBW) und Marianne Artmann (DW). „Beide waren korrekt und bemüht“, betont Weilharter im Gespräch. Erreicht wurde jedoch nichts: am 27. März erhielten die Künstler einen Brief mit der endgültigen Absage für das Preisgeld. Im Brief wird der Sachverhalt verzerrt dargestellt, wie das auch Artmann in einer Stellungnahme gegenüber www.nachtkritik.de  tat: Jawui wurde darin als eine Gruppe hingestellt, die Geld ohne Leistung verlangt. Von der irreführenden Ausschreibung, dem Vertrag und auch von der Tatsache, dass es die Jungwild-Verantwortlichen schließlich selbst waren, die die Sache so in die Länge gezogen haben, sodass eine Uraufführung in Graz gar nicht mehr möglich war, ist an keiner Stelle die Rede. Lapidar wünschte man Weilharter noch „alles Gute für seine Theaterkarriere.“
Auf den Kosten für das Stück blieb Jawui jedenfalls bis dahin sitzen. Ins Programm der Festivals wurden sie nicht aufgenommen die Chancen, in Österreich im Bereich Theater für ein junges Publikum je wieder Fuß zu fassen schienen gering: zu eng sind die Theaterhäuser miteinander verbandelt.
Zumindest eine Änderung in der aktuellen Ausschreibung wollte Jawui erreichen, damit zukünftigen BewerberInnen klar ist, worauf sie sich einlassen, – im 15-minütigen Bewerbungsbeitrag steckt immerhin viel Arbeit.

Dass Aufdecker-Medien wie der Falter zunächst geringes Interesse an der Geschichte zeigten, machte die Sache nicht besser. Jawui hatte zuvor dem Falter die Sachlage geschildert und erst nach Vertrösten auf spätere Falter-Ausgaben sich zu einer großflächigen Presseaussendung  entschlossen. Im Gegenteil: welchen Stellenwert Kinder- und Jugendkultur in den Medien hierzulande hat ist hinlänglich bekannt. Die Verantwortlichen schienen darauf zu bauen, dass Kinder- und Jugendkultur keine große Lobby hat, und die Kulturberichterstattung der großen Medien sich in erster Linie an der Burgtheater-Affäre aufhängt.

Erst als Ö1 sich zu einem Beitrag entschloss, kam der Stein allmählich ins Rollen. Bei einem Treffen Ende August konnte endlich eine Einigung erzielt werden: Der Gruppe Jawui wurde bei Umsetzung und einer öffentlichen Premiere der Produktion innerhalb dieser Saison eine Auszahlung des Jungwildpreisgeldes in der Höhe von 5.333€ ( 50% zu Probenbeginn und 50% zur Premiere) „angeboten“ (?zugestanden?), – Vertragspartner ist Szene Bunte Wähne. Die Premiere konnte auf einen Zeitraum „bis Ende 2015″ ausgedehnt werden, bei der Auszahlung hat man sich schließlich geeinigt, dass das gesamte Preisgeld zu Probenbeginn ausbezahlt wird.

Außerdem wurde versichert, dass die Preisausschreibung hinkünftig transparenter gestaltet wird, (die aktuelle Ausschreibung folgt allerdings noch dem alten Wortlaut). Gratisaufführungen sollen somit in Zukunft ausgeschlossen und der Weg für eine faire Behandlung von jungen KünstlerInnen geebnet sein.

„In Summe ist das ein Riesenschritt“, sagt Weilharter im Gespräch erleichtert. „Und ich möchte gern nochmal die Rolle der IG hervorheben, die meiner Meinung nach tolle Arbeit geleistet hat, die Bedingungen dieses Preises zu verändern und uns dabei zu unterstützen diesen Fall aufzuzeigen.“

Ein Nachwuchspreis darf am Ende nicht lediglich dazu dienen, möglichst billig die Häuser zu füllen und so eine Rutsche in die Ausbeutung einer ohnehin prekären Berufsgruppe darstellen. Der Jungwild Förderpreis will gehaltvolles Theater fördern. Jetzt soll das endlich auch zu fairen Bedingungen für junge KünstlerInnen passieren.

Das ist ein Verdienst, der nicht nur Thomas Weilharter und Bernadette Laimbauer, oder der IG Freie Theaterarbeit zu verdanken ist. Sondern, durch die Gesprächsbereitschaft und Veränderungswillen auch Stephan Rabl und allen anderen Veranstaltern.  Und das ist eigentlich mehr als einen Nebensatz wert. Und darüber hinaus ein guter Start in eine neue Saison.

 

 

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