„Gegenangriff“ – Homo homini homo

Kurzrezension zu „Gegenangriff“ von Nadia Niemeyer

Komplett irre scheint dieses Buch, Unbehagen erzeugt es und doch ist es unmöglich, es beiseitezulegen: Autorin Nadja Niemeyer hat genug vom Hochmut des Menschen gegenüber den drängenden Problemen unserer Zeit und bläst zum »Gegenangriff«. Als erzählendes Sachbuch veröffentlicht Niemeyer, die in Wirklichkeit ganz anders heißt und anonym bleiben möchte (»um nicht an Debatten teilnehmen zu müssen«), bei Diogenes ein dystopisches Gedankenexperiment: Was würde geschehen, wenn die Tiere an die Macht kämen? Just durch einen künstlich hergestellten und fehlgeleiteten Virus gelangen die Tiere in »Gegenangriff« zu konspirativer Intelligenz und lassen die Menschheit immer mehr ihrer eigenen Habgier zum Opfer fallen: Kühe zetteln aus heiterem Himmel ein Massaker auf dem Schlachthof an, um schließlich auch selbst im Kugelhagel zu sterben. Tundrawölfe fressen Raffineriemitarbeiter/innen in der Arktis. Fledermäuse fegen in kürzester Zeit eine ganze Stadt leer. Ratten kappen die Stromversorgung in amerikanischen Großstädten. Und während der Präsident der Vereinigten Staaten sich noch ein Feindbild überlegt, dem er unter größter Geheimhaltung diesen Großangriff in die Schuhe schieben kann, spitzt sein Hund die Ohren…

In knappem Protokollstil malt Niemeyer die Geschichte einer Zoonose und treibt sie Episode um Episode bis zum finale furioso. »Gegenangriff« changiert brillant zwischen Roald Dahls schauerlichsten Kurzgeschichten und George Orwells »Animal Farm«: brutal, surreal und doch irgendwie möglich. Denn das unheimlichste ist: Niemeyer meint das völlig ernst.

Der Text erschien im Frühjahr 2022 bei Buchkultur 

Nadja Niemeyer
Gegenangriff. Ein Pamphlet
Diogenes, 176 S.

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