Friedenstauben und Pekingenten

Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek
Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Als einer der kritischsten zeitgenössischen Künstler gilt Xu Zhen, dem im Kunsthaus Graz eine Personale gewidmet ist. Ironisch beleuchtet und hinterfragt diese Ausstellung Bedeutung und Wert von Kunst und Künstler in einer konsumorientierten Gesellschaft. Entstanden ist die Personale in Kooperation mit dem steirischen herbst.*

Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek
Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Alles gleich und alles in mehrfacher Ausfertigung – die Ausstellung mit dem sperrigen Titel „Corporate Xu Zhen (Produced by MadeIn Company)“ im Kunsthaus Graz scheint auf den ersten Blick leicht konsumierbar. Und obwohl man die gesamte Ausstellung, die sich nur auf eine Ebene erstreckt, in relativ kurzer Zeit durchschlendern kann, findet man hier mehr zum Nachdenken als in so manch mehrgeschößiger Schau.

Die wenigen Objekte und die geringe Ausstellungsfläche sind nur eine vermeintliche Reduktion, das Eigentliche ist gar nicht ausgestellt. Der Besucher, oder mehr noch seine Gedanken, seine Haltung werden zum Objekt, nicht nur als Teil eines Ausstellungskonzeptes, sondern vielmehr als Teil einer konsum­orientierten, globalisierten Gesellschaft, als Zielscheibe von Kritik und Ironie. Auf den Schlips tritt uns Xu Zhen, hinters Licht führt er uns – und es gelingt, wie man am Ende ein wenig betreten feststellen muss.

Die Grenzen zwischen Konsum und Kunst

Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek
Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Den Einstieg in die Ausstellung beginnt man am besten als Aufstieg: vom Space02 in den Space01 (das Kunsthaus nummeriert die Stockwerke in umgekehrter Reihenfolge) fährt man mit der Rolltreppe, eigentlich eine Rollrampe direkt ins – Shoppingparadies.
Als wäre dieser Travelator, wie die Rollrampe genannt wird, extra für die Personale gemacht (ist er aber nicht), fügt er sich in Bild und Bedeutung der Schau. Direkt in den „ShangArt Supermarket“ schubst er den Besucher, der schwups zum Kunden wird: zum Kunden einer bunten Warenwelt, zum Kunden einer bunten Kunstwelt. Automatisiert und mechanisch beginnt er nun durch die Regale zu streifen, hin- und hergerissen zwischen dem unmittelbaren Bedürfnis zu gustieren und konsumieren oder – man befindet sich ja schließlich im Museum! – Warholsche Traditionen zu durchdenken. Die Institution Museum wird zum Markt, zur Plattform, die Grenzen zwischen Konsum und Kunst verschwimmen lässt.
MadeIn Company ist die Firma, die Xu Zhen gegründet hat, mit deren Team er, der Shanghai nie verlässt und doch auf der ganzen Welt zu finden ist, die Marke „Xu Zhen (Produced by MadeIn Company)“ vertreibt. Mit dem Label „Made in China“ spielt der Künstler, der, 1977 geboren, heute als Leitfigur in der zeitgenössischen chinesischen Kunstszene gilt: Made in China ist nicht nur ein allen vertrautes Label, „made in“ bedeutet auch lautsprachlich aus dem Chinesischen übertragen in etwa „Firma ohne Grenzen“. Ein Kunstunternehmen ist MadeIn Company, das nach den Gesetzen des globalisierten Kunstmarkts agiert, funktioniert und expandiert. Hier im Kunsthaus beschäftigen sich Xu Zhen und Company mit der Käuflichkeit von Kunst und Künstler in einer konsumorientierten Gesellschaft.

Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek
„Eternity“ Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Mit einer Selbstverständlichkeit mixt Xu Zhen kulturelle Zeichen, religiöse Symbole und Materialien, wie Porzellan, die eindeutig kulturell konnotiert sind, und verpackt das als mehr oder weniger handliche Häppchen. So bietet das „Arrogance-Set“– Marcel Duchamp grüßt – eine Art Museum To Go, eine Box, die einzelne Objekte und unterschiedliche Codes vereint: im Zentrum der bronzene Poseidon, eingebettet in fast möchte man sagen Krimskrams, auf seinen Schultern sitzen Hybride aus Friedenstauben und Peking-Enten. Hellenistische Klassiker kombiniert mit chinesischer Handwerkskunst („Eternity“), ein Teppich aus popartigen, zweiköpfigen Würstel mit Bart und Hot-Dog-Mantel („Sausage Voice“), schreiende, schlagende Installationen, die kritische Töne akustisch umsetzen und dem Besucher das Gefühl geben, selbst zu schreien, selbst zu schlagen – Xu Zehn spielt virtuos auf mehreren Ebenen, die sich derart überlagern, dass es ein zweites Hinhören, ein zweites Hinsehen, einen zweiten, einen dritten Durchgang erfordert.

„Corporate Xu Zhen“ entwirft eine auf scheinbaren Traditionen beruhende, globalisierte Kultur, deren zentrales Kennzeichen Massentauglichkeit ist, und legt so veränderte  Bedingungen und Mechanismen offen: Einzigartigkeit von Kunstwerken war gestern, die Trennung von Markt und Museum, Konsum und Kunst ist längst keine klare mehr.

Corporate Xu Zhen (Produced by MadeIn Company)

bis 10.01.2016, Kunsthaus Graz

Herzlichen Dank an Heide Oberegger vom steirischen herbst, die all meinen neugierigen Fragen rund um das Festival Rede und Antwort stand und mit ihren Tipps und Empfehlungen ein wunderbares Grazwochenende bereichert hat.

Der Text erschien im November 2015 in: Die Furche.

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