Der steirische herbst feiert seinen 50er. Zum Jubiläum wurden einige Schätze aus den letzten Jahrzehnten gehoben und in verschiedenen Formen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein Archivspaziergang.
In 50 Jahren brachte es der steirische herbst auf 4.000 Projekte mit 16.000 Mitwirkenden. 100.000 Programmfotos sind dabei entstanden, 16 Terrabyte Filmmaterial, nicht zu vergessen die Plakate. Was tun mit einer solchen Fülle?
Nun – der größte Teil davon ist mittlerweile digitalisiert und in einer Online-Datenbank www.archiv.steirischerherbst.at zugänglich gemacht. Neben dem digitalen Archiv hat man das Material auch in eine App eingebaut: die „herbst fragmente“, die dem Grazbesucher an legendären herbst-Orten mit Interviews und Originalmaterialien aufwarten und dem Sonstwo-auf-dem-Sofa-Sitzer die herbst-Stadt zu Hause lebendig machen. Ein analoges, haptisches Rückblicks-Herzstück ist der Kunstband oder das Künstlerbuch: handliches Format, herbstroter Umschlag. Der Titel? Man muss um die Ecke schauen, um ihn zu finden, er ist auf die Seiten gedruckt: „herbstbuch 1968-2017″-angepasst passt eben nicht. Martin Behr, Martin Gasser und Johanna Hierzegger haben den Band herausgegeben.
Ein Sammelsurium ist das Buch geworden aus Anekdoten und Erinnerungen, künstlerischen Beiträgen, Essays und natürlich Produktionsfotos. Kritiker erzählen von „ihren“ herbst-Orten, Mitwirkende, aktive wie ehemalige, plaudern aus dem Nähkästchen – Ehen sollen aus Begegnungen beim steirischen herbst hervorgegangen sein! Auch die Auseinandersetzung mit herbst-Themen kommt nicht zu kurz: „Vom Verwirklichen der Träume“ heißt das Kapitel zur Musik, „Schwebende Hütten, fliegende Zelte“ ein anderes zur Architektur.
Die Plakatsammlung erzählt von kleinen und großen Skandalen, wie vom Mann mit der heruntergelassenen (oder hinaufziehenden) Hose. Auch der Archivar Martin Ladininger -bei einem 50-jährigen Jubiläum ist der Archivar fast die wichtigste Person -steuerte bei. Aufgehübscht ist das alles mit kleinen Statistiken, die dem herbst Legendenpotenzial verleihen: 379 Beschwerdeanrufe gingen beispielsweise am Abend des 24. Oktober 1992 bei der Polizei ein. Den Grazern war’s zu laut
Klingt nostalgisch? Ist es nicht. Wie schreibt Elfriede Jelinek im Prolog? „Die Steiermark ist schon lange da. Und jedes Jahr wieder trifft sie der Schlag. Er reißt sie aus sich heraus, es stimmt, es ist wieder Herbst geworden. Ob wir ihn diesmal überleben?“
herbstbuch 1968-2017 Hrsg. von Martin Behr, Martin Gasser, Johanna Hierzegger, steirischer herbst Styria 2017 416 S. kart., e 35,-
Der Text erschien im September 2017 in: Die FURCHE