Am 20. Jänner ist der YouTuber und Behinderten-Aktivist Martin Habacher im Alter von nur 41 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
In einem Interview mit der FURCHE erzählte Martin Habacher 2013, wie er 17-jährig beim Reinhardt Seminar anrief, um sich nach den Aufnahmekriterien für Rollstuhlfahrer zu erkundigen. Man könne ihn nicht aufnehmen, hätte man ihm gesagt, er könne ja nicht fechten lernen! – Ob er wirklich Schauspieler werden wollte? Habacher ging es ums Prinzip. Er wollte alles werden und machen können, was auch Menschen ohne Behinderung werden und machen können, und er ließ keine Gelegenheit aus, auf dieses Recht hinzuweisen.
Nach Wien ist der am 30. März 1977, kleinwüchsig mit Osteogenesis imperfecta, der „Glasknochenkrankheit“, geborene Oberösterreicher trotzdem gezogen. Er studierte in einer nicht-barrierefreien Welt Publizistik, gründete ein Unternehmen. Statt Reinhardt-Seminar-Absolvent wurde er YouTube-Star, Leben mit Behinderung – nicht nur seine eigene – wurde sein Thema.
Wer mit Habacher unterwegs war, lernte neu zu sehen. Auch eine ganz kleine Stufe ist nicht barrierefrei und ein Lift mit hoch montierten Knöpfen für Rollstuhlfahrer sinnlos. Einmal waren wir gemeinsam im Theater. Zur Bar führten Stufen. Martin war kompromisslos: Wir gingen, nicht ohne Bahö. Die Achtlosigkeit von Menschen empfand er als die eigentliche Behinderung. Die Ergebnisse seiner „Accessability“- Checks teilte er auf Social Media, seine Videos, darunter auch Schräges, erreichten Millionen Klicks.
Als Influencer ließ er sich bezahlen, aber nie kaufen. Missstände benannte er gradheraus und direkter, als es so manchen angenehm war. Und nahm sich auch vor dem Bundeskanzler nicht zurück: „Pissen und Kacken ist ein fucking Privileg“, schimpfte Habacher beim Influencer-Frühstück mit Christian Kern, zu dem die SPÖ im Wahlkampf lud, und rauschte davon. Man hatte nicht daran gedacht, die Location auf eine barrierefreie Toilette zu überprüfen …
Social Media betrachtete Habacher als Empowerment, vor allem für Menschen, deren Stimmen sonst nicht gehört werden. Im Sommer 2018 organisierte er das erste europäische Treffen für Influencer mit Behinderung. 24 dieser Kolleginnen und Kollegen empfahl er zuletzt herzlich im Rahmen eines Adventkalenders, dem #AbilityTubeKalender, auf seinen Social Media Kanälen.
Den Kinostart seiner Biografie „Ungebrochen“ im Februar erlebt Martin Habacher nicht. Er ist am 20. Jänner 41-jährig gestorben. Nebst Familie und Freunden hinterlässt er einen Auftrag für Inklusion in über 500 Videos. Fechten, erzählt das Leben des Martin Habacher, lernt man nicht nur am Reinhardt Seminar. Danke für die Lektion, Martin.
Termine, österreichweit, zum Film „Mabacher – #ungebrochen“
Martin Habacher auf YouTube, Instagram, Twitter, Facebook.
Martin Habachers Website: www.mabacher.com und sein Blog „Von Accessability bis YouTube“
Der Nachruf erschien am 24.Jänner 2019 in Die FURCHE.