Skulpturen, Spektakel und Suppe für alle

Goshka Macuga, Model for a Sculpture (Family), 2011, Foto: Stephan Wyckoff
Goshka Macuga, Model for a Sculpture (Family), 2011, Foto: Stephan Wyckoff

„Politischer Populismus“ in der Kunsthalle Wien ist eine Ausstellung, die polarisiert und Iockt. Kunstvermittlung wie Marketing agieren populistisch und sichern dem Haus Publikum und internationale mediale Aufmerksamkeit, Schulklassen zeigen großes Interesse.

Wer von der Schau „Politischer Populismus“ in der Kunsthalle ein Statement erwartet, einen Rüffel für die Politik, einen Tadel für die Gesellschaft, der wird eines Besseren belehrt. Politisch ist die Kunst, die gezeigt wird. Populistisch ist das Konzept – und das wird konsequent durchgezogen: angekündigt wird die Schau mit Drucksorten im Boulevard-Look, der Eintritt zu Ausstellung wie Vermittlungsprogrammen ist frei. Im Foyer lockt eine konsumfreie Zone mit Sitz- und Rastgelegenheiten, es gibt nationale und internationale Zeitungen und Zeitschriften, Fachlektüre und – zielgruppenadäquat – Steckdosen. Verstärkt werden Führungen auf Serbisch, Kroatisch, Bosnisch und Türkisch angeboten („Weil wir Ihre Sprache sprechen“), bei der Eröffnung gab’s Luftballons, Performance und Suppe vom Nobel-Catering für alle. Und Kunst – gibt es bei allem Rundherum-Spektakel auch noch.

Viele bekannte Werke

Minouk Lim, Navigation ID, 2014, Live broadcast intervention at the press opening day of Burning Down the House, the 10th Gwangju Biennale, Courtesy die Künstlerin
Minouk Lim, Navigation ID, 2014, Live broadcast intervention at the press opening day of Burning Down the House, the 10th Gwangju Biennale, Courtesy die Künstlerin

In der Tat möchte die Kunsthalle mit „Politischer Populismus“ eine „Verbindung zwischen kulturpolitischem Statement und populistischer Rhetorik“ darstellen, Kommentar und Fußnote sein statt Analyse. Die Aktualität der Thematik, der stets stärker werdende Populismus in Europa, sei passend, meinte Direktor und Kurator Nikolaus Schafhausen in seiner Eröffnungsrede, aber keinesfalls beabsichtigter Bezug der Schau. Er wählte Themen, die stets Nährboden für populistische Agitation bieten: Spionage, Überwachung, Migration, Religion, Medien. Viele der Exponate sind bereits documenta- (Goshka Macugas wunderbarer Wandteppich) oder Biennale-geprüft, wie die
Simon-Denny-Variation auf venezianischer Biblioteca-Mariani-Fototapete. Aus der Moskauer Biennale stammt eine (unscheinbar hängende) Videodokumentation von Anna Jermolaewa, die Praktiken von gekaufter Meinung in Putins Russland zeigt. 500 Rubel soll dort ein Demonstrant durchschnittlich kosten. Auch Jermolaewa bezahlte und ließ marschieren – wofür? Egal. Von der 1989 von Russland nach Österreich geflohenen Künstlerin, der in Krems schon eine Ausstellung gewidmet war, hätte man hier in Wien sehr gern mehr gesehen.

Simon Denny, Secret Power Highlighted, 2015 , Foto: Stephan Wyckoff
Simon Denny, Secret Power Highlighted, 2015 , Foto: Stephan Wyckoff

Viel Raum hingegen bekommt Goshka Macuga: Im verwinkelten Eingangsbereich hängt „Notice Board“, eine Collage aus Empörung und Wut, gestaltet aus Notizen und Zeitungsausschnitten zum Skandal um Maurizio Cattelans Werk „La Nona Ora“. 1999 zeigte Cattelan im Warschauer Museum einen lebensechten, von einem Meteoriten zu Boden gestürzten Papst. Er löste damit nicht nur Diskussion aus, sondern handfesten Protest, der in einem Vandalenakt zweier Abgeordneter der Partei „Nationale Werte“ gipfelte, die Meteorit samt Stein-Papst zertrümmerten. Macuga hebt dies nicht nur auf eine künstlerische Ebene, sie hat auch eine monumentale Antwort: Völlig überhöht setzt sie – zu sehen im Obergeschoß der Kunsthalle – die Kleinfamilie als betonierte Repräsentantin „nationaler Werte“, auf ein Sieben-Meter-Podest.

Was aber bleibt?

Johanna Kandl, O.T. (It´s the economy, stupid), 2002, Courtesy GfzK Leipzig
Johanna Kandl, O.T. (It´s the economy, stupid), 2002, Courtesy GfzK Leipzig

Was aber bleibt, wenn man so komplexe Kontexte abstrahiert? Bei vielen anderen Werken überwiegt Inhalt statt Form. So auch bei Christian Falsnaes, der seinen Beitrag zur Ausstellung in einer nach Elementarpädagogik schmeckenden Eröffnungsperformance durch vorgebliche Manipulation eines ohnehin willigen Kollektivs angefertigt hat. Wenig aufregendes Ergebnis wie Prozess sind in der Kunsthalle dokumentiert. Plakatives Tüpfelchen auf dem Populismus sind vor allem große Namen wie Johanna Kandl (deren Werke nicht nur in der Kunsthalle, sondern im Rahmen einer Personale auch im Essl Museum zu sehen sind). Ist das jetzt „populistische Rhetorik“ oder schlicht Aufputz?

Dennoch: „Politischer Populismus“ stellt entscheidende Fragen und das Konzept geht auf. Nikolaus Schafhausen gibt Themen und Werken viel Raum: auf drei Etagen, locker verteilt, sich lose ergänzend, zusammen gehörend und doch alleine stehend. Von einem Objekt ins nächste stürzt man nie, Gedanken können entstehen und ein bedenkliches Trend-Phänomen darf reflektiert werden. Und möchte. Und soll.

Politischer Populismus
bis 7.2.,Kunsthalle Wien, tägl. 10-19 Uhr
Do bis 21 Uhr, www.kunsthallewien.at

Der Text erschien im Dezember 2015 in: Die Furche.

 

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