Kunst und Dichtung im Experimentierfeld

Foto: Jorit Aust
Foto: Jorit Aust

Ein Experimentierfeld der Poesie ist „Artists and Poets“, eine von dem Schweizer Künstler Ugo Rondinone kuratierte Ausstellung: Künstler und Dichter, die derzeit in der Wiener Secession zu sehen ist. In zwei Teile gegliedert, artists und poets, sucht sie das Verbindende von Kunst und Dichtung: die Poesie.

Ersterer scheint dabei den ungleich größeren Platz für sich einzunehmen. Über das gesamte; Haus erstreckt sich die Schau, die jeweils einem bildenden einen darstellenden Künstler zur Seite stellt und umgekehrt. So gewinnt man an Raum und an Tiefe: nichts steht einander im Weg, alles kann sich ergänzen, muss aber nicht.

Wer Zusammenhang zwischen den Werken oder den Künstlern sucht, diachron oder geographisch, ist verloren. Rein auf seine Intuition hat sich Ugo Rondinone verlassen: Kunst stellt sich hier selbst dar, wird zum Selbstzweck, zum Gegenstand der Poesie.

Foto: Jurit Aust
Foto: Jurit Aust

Das Unerklärliche, das Unsagbare, das Transzendentale von Kunst steht im Vordergrund – die Interpretation legt der Künstlerkurator vertrauensvoll in die Hände der BesucherInnen. So findet sich mit Bob Law britische Minimal Art neben Betonskulpturen von Justin Matherly, experimentelle Malereien Michael Williams neben bunten Abdrücken des Gesäßes der rumänischen Künstlerin Andra Ursuta. Auch das permanent in der Secession gezeigte Beethovenfries von Gustav Klimt wurde in die Ausstellung miteinbezogen – und mit Keramiken von Andrew Lord kombiniert.

 

Die Dichtung hingegen findet sich obenauf, im Grafischen

Foto: Secession
Foto: Jurit Aust

Kabinett in einer unscheinbar anmutenden, neu adaptierten Installation von John Giorno, die an der Außenfassade angekündigt wird.: DIAL A POEM! Hat der Künstler ursprünglich, nämlich in den späten 1960er Jahren, Gedichte amerikanischer AutorInnen via Anrufbeantworter einem breiten Publikum zugänglich gemacht, so wurden in Wien in Kooperation mit der Wiener Schule für Dichtung die Telefone mit Lyrik österreichischer AutorInnen bespielt. Vor Ort sind die Texte über alte Telefonapparate mit Wählscheibe zu hören, aber auch über die Wiener Festnetznummer + 43 58 50 433 rund um die Uhr zugänglich. Kunst tritt so aus dem musealen Kontext in eine alltägliche, leicht konsumierbare Form. John Giorno hat somit vorweg genommen, was neue Technologien heute versprechen: Kunst auch außerhalb von Kulturinstitutionen erfahrbar zu machen.

„Artists and Poets“ ist nicht nur eine Ausstellung zum Gedanken-schweifen-lassen und Träumen, „Artists and Poets“ ist auch eine der ersten österreichischen Ausstellungen in der iBeacons eingesetzt werden. Im ganzen Haus verteilt, teilweise in den Kunstwerken selbst versteckt, sind die kleinen Transmitter, die bei niedrigem Energieverbrauch Bluetooth-Signale auf die mobilen Endgeräte der Besucher senden und über eine zuvor heruntergeladene Applikation Informationen in audio-visueller oder textueller Form bieten.wpid-20150305_101144.jpg

Die Idee dahinter ist, die in Anschaffung und Wartung viel teureren Audiogeräte durch Leih-Smartphones zu ersetzen oder gleich die Geräte der BesucherInnen zu nutzen. In erweiterter Form, wie es beispielsweise das Rubens-Museum in Antwerpen schon testet, können die BesucherInnen über iBeacons, Smartphone oder Tablet auch aktiv in die Ausstellung miteinbezogen werden.

Die Wiener Secession, als Testpartner eines Wiener Startup-Unternehmens, ist hier gleich auf höherem Level eingestiegen: rasch wechselnde Ausstellungen und geringe Vorlaufzeiten erschweren nämlich die optimale Nutzung der iBeacons enorm – Inhalte, die Smartphone-tauglich sind, müssen schließlich erst erstellt werden. So finden sich einstweilen nur allgemeine Audio-Infos auf der Kultur-App, erweitert mit den Saaltexten der aktuellen Ausstellung. Schade ist vor allem aber, dass es längst nicht funktioniert, wie es sollte: der Download der App ist noch unnötig kompliziert, und es gibt viele Kleinigkeiten, die die Nutzung erschweren. Benutzerfreundlich ist anders. Dass Bedarf und Interesse von Seiten der BesucherInnen da ist, dürfte aber bewiesen sein: an die 100 Downloads der App gab es allein im ersten Monat und – Überraschung! – vor allem Schulklassen zeigten sich begeistert.

 

Der Text erschien am 19. März 2015 in: Die Furche

 

 

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