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Hurra Hurra die Schule brennt: Fahrenheit 451 – die Premierenkritik

Ray Bradburys Klassiker “Fahrenheit 451” wird im Dschungel Wien auf die Klassenzimmertheaterbühne gebracht, schwungvoll umgesetzt von Autor Holger Schober unter der Inszenierung von Dana Csapo. Die Premiere am 20. September 2011 angesehen hat sich Anne Aschenbrenner.

Beim Wiener Lesetest im vergangenen Schuljahr wurde die 4. bzw. 8. Schulstufe durchgetestet mit dem Ergebnis, dass gut ein Drittel der Schüler/innen nur auf mangelhafte Lesekompetenzen zurückgreifen können, immerhin 7 % aller Schüler/innen können überhaupt nicht Sinn erfassend lesen. Spätestens seit PISA sind Lehrer/innen, Eltern und Medien in Alarmbereitschaft, die Maßnahmenpakete sind längst geschnürt (soweit sie in Klassen mit 36 Schüler/innen, die im BMHS – Bereich keine Seltenheit sind, bei 2 Deutschstunden pro Woche überhaupt umsetzbar sind – aber das ist eine andere Geschichte). Und der Untergang des Buches wird spätestens seit der Einführung des Fernsehens in den 1950er Jahren propagiert.

Holger Schober springt auf diesen Zug auf: auf der Basis von Ray Bradburys “Fahrenheit 451” lässt er den Feuerwehrmann Freitag (Kilian Klapper) – eine fiktive Figur in der Fiktion, ein Freitag kommt bei Bradbury nämlich nicht vor – vor die Schulklasse treten und erst mal alle (Schul) Bücher einkassieren. Die werden im Anschluss der Stunde dann verbrannt, sagt Freitag. Weil Lesen ist gefährlich. Ungesund. Ungerecht. Alles Lüge. Lässt die Menschen vereinsamen. Und überhaupt: wo kämen wir denn hin, wenn alle Menschen sich in ihre Gedanken zurückzögen?

Bühne ist, wie beim Klassenzimmerthater üblich, der Klassenraum. Requisiten hat Killian Klapper außer dem Klasseninventar (und den Schulbüchern der Kinder) keine zu Verfügung. Kostüm ist eine angedeutete Uniform, schwarz und sehr symmetrisch. Ordnung eben, Kontrolle, Autorität. Und Vorschrift ist Vorschrift.

Inhaltlich hat Schober “Fahrenheit 451” auf zwei Schlüsselszenen reduziert: auf die alte Frau, die sich lieber mit ihren Büchern verbrennen lässt als sich von ihnen zu trennen. Und auf die Entwicklung des Montag vom pflichtbewussten Vorbild zum Deserteur, von einem, dessen Albträume vorbei sind, und der jetzt wach ist und durch die Bücher sein Glück gefunden hat. Bist du glücklich?, fragt er Freitag und löst damit in dem treuen Staatsdiener eine nachhaltige Krise aus. Ob Bücher glücklich machen können, und welche Bücher zu empfehlen sind, dafür ist dann das junge Publikum zuständig.

Inszeniert hat Dana Csapo sehr klassisch, Schobers Text ist teilweise sehr voraussagbar und die Handlung ist fast zu gut strukturiert, überraschend ist eigentlich nur das (zu) abrupte Ende. Und vielleicht, dass die Schüler/innen die Bücher behalten dürfen (oder müssen), denn zur Enttäuschung mancher wird am Ende gar nichts abgefackelt.

Bücher haben Sprengkraft, Bücher machen glücklich, das ist die klare Message von Schober und Co. Der Grat zwischen anspruchsvollem Theater für Jugendliche und dem erhobenen, pädagogischem Zeigefinger ist schmal und die Gefahr in moralische Untiefen abzugleiten besteht bis zur letzten Minute. Dass das Stück nicht kippt, liegt einzig an Kilian Klapper, der souverän und glaubwürdig die Geschichte aufrollt und währenddessen und zwischendurch Diskussionen mit dem (jungen) Publikum herausfordert. Gelungen!

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