kritik zu *bagheria*

Filmkritik: Baarìa – Eine italienische Familiengeschichte

baaria-tornatoreBagheria, oder Baarìa, wie es auf sizilianisch heißt, ist die Geburtsstadt vom italienischen Filmregisseur, Drehbuchautor und Filmproduzenten Giuseppe Tornatore; autobiografisch ist auch sein neuer Kinofilm.

Baarìa erzählt die Geschichte einer italienischen Familie über drei Generationen hinweg, Baarìa ist gleichzeitig aber auch ein Porträt Siziliens und seiner Bewohner.  Mit viel Witz und Ironie erzählt Tornatore von den Ursprüngen des italienischen Parteienchaos, von der tiefen Verwurzelung der Mafia, von den bitteren Unterschieden von Arm und Reich und von den seltsamen Auswüchsen des italienischen Aberglaubens. Tornatore zeichnet den Weg von Peppino, dem Sohn eines Hirten  dessen Familie in bitterer Armut lebt: Mehrmals ist die Familie kurz vor dem Verhungern, damit sie jedoch nicht zum Gerede der Nachbarn werden, erbettelt die Mutter Fettreste beim Fleischer (“für die Katze”), um sie dann auf die Glut zu legen und den Nachbarn ein reiches Mahl vorzugaukeln. Peppino, oder Pepe wie er im Film oft genannt wird, hat aber Glück: sein Vater lässt ihn lesen und schreiben lernen und gibt ihm Bücher auf die Weide mit (die mitunter dann die Ziegen fressen). Und auch wenn ihm das nicht unmittelbar nützt, das Leben lehrt ihn schon sehr früh Zweifel an einer gerechten Welt. Bald schon entschließt er sich Kommunist zu werden. Postwendend nimmt Tornatore die Genossen auf die Schaufel: nein wirklich, comunisti sind keine antropofaghi, und Pepe beteuert seiner Verlobten, er hätte bestimmt auch nie nur ein einziges Kind gefressen. Klar, dass die Eltern gegen die Heirat sind, aber 

baaria-plakatPepe kriegt was er will, er bleibt comunista und kann seine geliebte ragazza trotzdem heiraten. Klar, dass Pepe ein guter Familienvater wird, und trotz Schicksalsschlägen Parteikarriere macht. Schade nur, dass in den letzten zehn Minuten des Films krampfhaft versucht wird eine mystische Zeit-Raum-Verschiebung einzuflechten. Man kann daher bereits ruhigen Gewissens den Kinosaal verlassen, wenn der alte Pepe zum letzten Mal mit einem Stein auf die sagenumwobenen Felsen zielt.

Tornatore verweilt verhältnismäßig lange in den dreißiger und vierziger Jahren, reißt den Niedergang der Sowjetunion, des italienischen Parteiensystems und die Studentenrevolte nur kurz an. Trotzdem gelingt es ihm ein umfassendes Bild von Bagheria, und von ganz Italien zu zeichnen. Emotional, aber trotzdem präzise: gedreht wurde teilweise in Tunis, da in Sizilien der Platz für die Kulisse der alten Stadt nicht vorhanden war. Anhand von alten Fotografien wurden die Aufnahmen aber sehr genau am Computer nachbearbeitet, sodass der endgültige Film ein sehr reales Bild der Stadtentwicklung bieten kann. Die Dokumentation zu digitaler Bearbeitung findet sich übrigens sehr beeindruckend aufyoutube dokumentiert. Unglücklich gewählt ist leider auch der deutsche Filmtitel, der offenbar nur das Publikum 50plus ins Kino lockt. Wirklich schlecht ist allerdings der Trailer, der die Filmmusik von Morricone überbewertet und den ganzen Film ins Schnulzenlicht rückt. Die hiesige Filmkritik wiederum scheitert zwangsläufig am Versuch der Interpretation von “Baarìa” als politischen Film und schiebt die Schuld dem Regisseur in die Schuhe. Tornatores Absicht war jedoch zweifelsohne weder eine schnulzige Liebesgeschichte zu produzieren, noch  einen politischen Film zu drehen, sondern vielmehr eine liebevolle Hommage an seine Heimat zu gestalten. Und das ist gelungen und auf jeden Fall sehenswert. Wenn man jetzt noch ausblendet, dass Silvio Berlusconi bei der Produktionsfirma seine Hände im Spiel hat (und, wo hat der nicht seine Hände im Spiel?), dann steht einem netten Kinoabend nichts mehr im Weg. (Text: Anne Aschenbrenner; Fotos: Tobis Film)

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