Mit der lebendigen Schau „Ich kenne kein Weekend. Aus René Blocks Archiv und Sammlung“ zeigt das Linzer Lentos, wie großartig moderne Kunst kuratiert sein kann.
Ein freundliches Labyrinth ist die aktuelle Ausstellung „Ich kenne kein Weekend“ im Lentos Kunstmuseum in Linz – und es gibt zwei Arten, es zu durchwandern: bewaffnet, mit Saalheft nämlich, oder unbewaffnet. Gewinner, soviel sei verraten, sind am Ende alle Besucher.
Schon mit der letzten Ausstellung „Rabenmütter“ (deren einziger Fehler war, dass sie zu Ende ging) hat das Linzer Kunstmuseum eine Ausstellung vorgelegt, die sowohl in der Werkauswahl wie auch im Aufbau überzeugt hat. Als „Museum der Avantgarde“ stellt das Lentos nun den Neo-Avantgardisten ins Zentrum und knüpft mit der Schau zu Archiv und Sammlung von René Block an den Rabenmütter-Erfolg nahtlos an.
Vordenker und Vorkämpfer
René Block, Jahrgang 1942, ist Galerist, Kurator, Kunstsammler, Vordenker und Vorkämpfer. Sein Gespür für Kunst machte sich bereits in den frühen 1960ern bemerkbar: in seiner ersten, heute legendären Ausstellung „Neodada, Pop, Décollage, Kapitalistischer Realismus“ in der von ihm gegründeten Berliner Galerie zeigte er Werke von Joseph Beuys, Sigmar Polke und Gerhard Richter – damals noch völlig Unbekannte. Als einer der ersten überhaupt trieb René Block Kunst und Künstler aus den Galerien auf die Straße: Seine Happenings und Aktionskunst endeten nicht selten in einem Tumult. „Der Amoklauf wird zur Kunst“ konstatierte damals die F.A.Z. Neben einer umfangreichen Dokumentation mit Filmmaterial, Korrespondenzen und Zeitungsartikeln zu Blocks Sammler- und Kuratorentätigkeit sind auch die „Reste“ solcher Happenings, ja eigentlich als Kunstwerk adaptierte Relikte, nun im Linzer Lentos zu sehen: darunter Müll samt Besen, zusammengekehrt von Joseph Beuys persönlich. Aus dem Misthaufen/Kunstwerk spricht der Schalk, der den Künstlern im Nacken gesessen sein muss.
Ein Kunstwerk von Beuys war auch titelgebend für die Ausstellung: „Ich kenne kein Weekend“ markiert den Beginn der jahrelangen Zusammenarbeit von Künstler Beuys und Sammler Block. Zusammen mit kapitelweise gebündelten Fäden (wie die Fluxus-Strömung, die Block geprägt hat, oder die Biennalen, die er kuratiert hat) verwebt das Lentos all das zu einer einzigen großen „Geschichte des Aufspürens, Zeigens, Sammelns und Ausstellens moderner Kunst“. Der Sammler ist dabei nicht mehr präsent als notwendig – nur eine große Aufnahme von René Block ist wie beiläufig eingestreut – im Fokus steht, angenehm bescheiden und umso wirkungsvoller, das großartige Verdienst von Block.
So ergibt sich schließlich ein Labyrinth aus Künstlergeschichten und Kunstgeschichte, aus Sammlergeschichte und auch aus vielen Sammlerstücken selbst, die, jedes Kunstwerk auf seine Weise, wieder narrative Seitengassen einschlagen.
Das Fahrrad etwa, das einen schon von Weitem anlacht, von Alicja Kwade zerlegt, gebogen und neu geschweißt – eine „Reise ohne Ankunft“. Oder „Der Denker“ von Nam June Paik, das erste Multiple der Kunstgeschichte, in dem man sich selbst wieder findet.
Der geübte Museumsbesucher, der sich mit dem Saalheft gegen die anfängliche Orientierungslosigkeit bewaffnet, wird so nur noch tiefer in dieses Labyrinth hineingeführt – oberflächlich wird hier nichts abgehandelt, manches mehr jedoch angerissen (wie die Geschichte, als Blocks Konzept für die Oberösterreichische Landesausstellung für Aufruhr und Absage sorgte), wo man gerne noch ein weiteres Mal abzweigen möchte. Derart in die Tiefen gestoßen erkennt der Unwissende wie schließlich auch der Wissende bald den Zauber dieser Ausstellung: dreimal im Kreis gelaufen und doch wieder Neues entdeckt.
Alte Themen neu denken
Das erweiterte Denken eines Kunstbegriffs, das Interdisziplinäre, das uns heute selbstverständlich erscheint, war vor nicht allzu langer Zeit noch ein gewagter Ausflug. Demokratisierung von Kunst und ein neues Selbstverständnis der Künstler sind Themen, die René Block stets vorangetrieben hat. Die Fragen nach Verständnis und Grenzen von Kunst neu zu stellen gelingt dem Lentos mit „Ich kenne kein Weekend“ anhand vieler Detailgeschichten. Und so manch ein Museumsbesucher läuft in die glückliche Gefahr in seiner Versunkenheit bei der Sperrstunde womöglich übersehen zu werden und die Nacht im Museum verbringen zu dürfen. Gewinner sind im Lentos am Ende alle, auch die, die sich im Labyrinth verloren haben.
Ich kenne kein Weekend
bis 5. Juni, Lentos Kunstmuseum Linz
Di bis So 10–18 Uhr, Do bis 21 Uhr
Der Texte erschien im Mai in: Die Furche