Dog Stories

dogstories-01Regisseur Michael Pöllmann, der mit demselben Team wie bei der Produktion von „Katja und Kotja“ eine überzeugende Arbeit vorlegte, hat mit “Dog Stories” am 7.3., dem Doppelpremierenabend im Dschungel Wien, vermutlich den größten Flop der Premierensaison 2014 gelandet.

Das Theaterkollektiv werk89 macht Theater mit politischem und gesellschaftskritischem Anspruch. “Dog Stories” von Meng Jinghui bietet eigentlich alles um diesen Anspruch zu erfüllen.Wie aber kommt es, dass dann so ein Ergebnis bei der Premiere präsentiert wird?

Die Schattenseiten des Exportweltmeisters China

Vorlage für “Dog Stories” ist das gleichnamige Stück von Meng Jinghui. Dieser ist als Begründer und Leiter des Beijing Fringe Festival, einem Jugendtheater-Festival so eine Art chinesischer Stephan Rabl und gilt darüber hinaus als der erfolgreichste Regisseur des experimentellen Theaters in China. Viele Stücke schreibt Meng Jinghui selbst, unter anderem das von Pöllmann inszenierte “Dog Stories”, das bereits 2009 das erste Mal in Europa, im Rahmen eines China-Schwerpunktes am Schauspielhaus Düsseldorf gezeigt wurde. So war auch im Februar 2013 die Produktion “Leben!” des Nationaltheaters Peking unter Meng Jinguis Regie am Deutschen Theater Berlin zu Gast. Parteipropaganda und heile Welt sind nicht die Themen, die der Autor und Regisseur auf die Bühne bringen will. Seine Themen sind vielmehr die Schattenseiten des Exportweltmeisters China. In “Dog Stories” stehen allerdings nicht die gängigen Probleme Chinas im Fokus, sondern eine Thematik, die in Europa nur am Rande wahrgenommen wird: die Landflucht, und somit der Traum vom besseren Leben.

Willkürliche Abfolge von Sprechszenen und Songs

Soweit eigentlich die perfekten Voraussetzungen für Pöllmann, der sein Können nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Regisseur schon mehrfach unter Beweis gestellt hat. Mit “Dog Stories” gelingt es jedoch an keiner Stelle, der Tiefe des Stücks und der Ernsthaftigkeit der Thematik gerecht zu werden. Inszeniert in einer willkürlichen Abfolge von Sprechszenen und Songs, bei denen die Musik (Martin Hemmer) zu laut und die Texte kaum zu verstehen sind, sollen die Schwierigkeiten einer Gesellschaft anhand der Geschichte zweier Straßenhunde metaphorisch erzählt werden. Suse Lichtenberger als Laifu fühlt sich sichtlich unwohl, performt das Stück herunter. Ihre Kollegin, Yap Sun Sun als Wan Cai, die wohl einen komischen Gegenpart inne haben soll, klamaukt und spaßettelt vor sich hin.

Bühnenbild und Kostüm reproduzieren Klischees

Ansätze vom gewohnten (und bisher immer gekonnten) Pöllmann-Style sind durchaus erkennbar: der Versuch zwei gegensätzliche Charaktere zu schaffen, Spannungsbögen aufzubauen, mit dem Einsatz von Musik und Visuals den Inhalt zu unterstreichen und zu konterkarikieren. Bühnenbild und Kostüm reproduzieren Klischees, Hühnerflügel fliegen durch die Gegend (Echtes Fleisch auf der Bühne?), der Traum vom Wohlstand und vom Glück finden im Kostüm in Blazer und High Heels Ausdruck; Die Armut, das sind Boots und ein neongrüner Anorak.

Pseudopubertäre Wortspielereien

Pöllmann versucht dann aber ganz offensichtlich eine ernste Thematik auf ein vermeintliches Spaßniveau von Jugendlichen runter zu brechen, und gefischt wird an der Oberfläche. In nicht wenige Witzeleien erkennt man Schobersche Spuren. So wird z.B. wie im „Dschungelbuch“ auch in “Dog Stories” das Publikum mit Spatzenpost-Witzen beworfen, und das nicht nur nicht zu knapp, sondern noch überdrehter als man es von Schober kennt. Pseudopubertäre Wortspielereien (“Erklär du die Regeln!” “Die Regel, also auch Menstruation genannt…”) übertünchen somit eine große Geschichte. Viele Szenen sind nicht einmal mehr Slapstick, sondern einfach nur seichte Schmähs mit Wiederholungen bis an die Grenzen des Erträglichen. Von einer Satire bleibt da nicht mehr viel übrig. Meng Jinghui hat in einem Interview zu seiner letzten Produktion “Leben!” gesagt: “Wir haben das Stück mit kabarettistischen Einlagen flotter gemacht.“ Pöllmann hat Dog Stories damit komplett lahmgelegt. Und so bleibt von „Dog Stories“ dann nur die Frage übrig: Kann man Jugendlichen eine ernsthafte, kritische Geschichte und klare Worte wirklich nicht mehr zutrauen? (Text: Anne Aschenbrenner; Fotos: Marija Jociute)


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Kurz-Infos:

Dog Stories
Kritik zur Premiere am 7.3.2014 im Dschungel Wien

Weitere Termine:

15. und 16.5.2014
jeweils 11 und 19:30 Uhr

Autor: Meng Jinghui (孟京)
Aufführungsrechte: Drei Masken Verlag, München
Regie: Michael Alexander Pöllmann
K
ünstlerische Assistenz: Christine Beinl
M
usikalische Leitung: Martin Hemmer
Ausstattung: Sebastian Pöllmann
Licht: Claus Zweythurm
Produktion & Kommunikation: Simon Hajós
Hospitanz: Marija Jociūtė
Darstellerinnen: Suse Lichtenberger, Yap Sun Sun

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