Abgründe und Zwischenräume

Zwischenräume will InBetween beleuchten – und dringt auf der Bühne kaum in Tiefen vor. Glück (?) und Elend von Transgendergeschichten werden auf einer einzigen Kitsch-Ebene abgeklatscht und mit pseudophilosophischen Floskeln dekoriert. Zugespachtelt und verklebt mit ein bisschen Asylantendrama-Glitzer. Kritik zu einer posttraumatischen Premiere im Eldorado im Werk X.

Foto: Chloe Potter
Foto: Chloe Potter

InBetween dreht sich um keine Frage, InBetween wirft auch keine auf – zumindest keine konkrete ­- InBetween ist postdramatisch angedacht. Uraufgeführt vor ziemlich genau einem Jahr in Ankara hat das bilinguale – nämlich deutsch-türkische – „Einpersonenstück in drei Körpern“ von Cocon Kultur in Kooperation mit WERK X den Preis des Ethos International Theater Festivals erhalten.

Migration in geografischem und in geschlechtlichem Sinn, Kampf um Identität und Geschlechterrollen sind die thematischen Felder, in denen sich die Produktion bewegt. Was in die Que(e)re kommt, wird aufgelöst: Emel Heinreich (Inszenierung/Idee/Dramaturgie) und Reinhard Eisendle (Konzeptentwicklung/Dramaturgie) verweben Nicht-Geschichten jenseits von vertrauten Geschlechterkonventionen, greifen dabei immer wieder auf Klischees zurück, brechen alle Fronten gleichzeitig auf und zerstören systematisch, was dem Zuschauer Halt geben kann.

Zu Anfang leitet noch eine allwissende Erzählerin durch das „multiple mediale Wechselspiel“, durchbrochen von zweisprachigen Dialogen, Monologen und wenig überzeugenden Performanceeinlagen – im zweiten Drittel übernimmt eine Ich-Perspektive die Hauptrolle und erzählt von Visuals begleitet, die Geschichte eines Transgender-Flüchtlings bei der Einreise ins fremde Land.

InBetween ist ein Atemzug auf Leinwand, voll Anklagen, voll Leid, voll Unsicherheit und Schmerz, voll unerfüllter Liebe – die wenigen entscheidenden Fragen nach Identitäten und Geschlechterrollen gehen in Gewirr und Getöse unter. Der bilinguale Ansatz hängt so schief, das nichts daran haften bleibt: Übersetzt wird teilweise via Leinwandprojektionen, die entweder vorauseilen oder hinterher hinken, teilweise wird auf die Übersetzung verzichtet, teilweise wird der Text in beiden Sprachen hintereinander gesprochen. Sobald Sprachen Figuren oder Gefühlen zugeordnet werden können, wird die schrille Verschüttungsmaschine aus Licht (Ahmet Defne) und Ton (Philipp Nammer, Clemens Torggler) angeworfen, wenn Sprache klanghaft werden kann, zerfällt die Poesie in übertriebener Ästhetik von Spiel (Zeynep Buyraç, Esmeray Özadikti, Nick Mortimore) und Das-geht-gar-nicht-Ausstattung (Markus Kuscher).

Foto: Chloe Potter
Foto: Chloe Potter

Vorstadtpossentheater und Romanzenkitsch, Slapstick und Publikumsbeschimpfung („ausgestopfte Pestleichen im Publikum“), Philosophenperformance („Ich bin die Macht.“) und Antithesen bis zum Erbrechen. Heinreich und Eisendle lassen nichts aus. Barbie begeht Suizid, Ken bringt sie ins Leben zurück – am Ende hat die Geschichte drei Enden, eines deprimierender als das andere, – in Wirklichkeit aber hat „das Drama nie stattgefunden.“ Ukulelenmusik versucht den Bogen zu schließen – welch Ironie.

Nirgends dazu gehören, sich ausgeschlossen fühlen, keine Zugänge zu spüren und keine (Aus)Wege zusehen, Irritation auf allen Linien – wenn Randgruppenwelten sich so anfühlen, hat Cocon Kultur gewonnen. Zwischenräume sind es nicht, die sich auftun bei der Premiere, sondern vielmehr Abgründe. Möglicherweise auch die eigenen.

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